Training des Lebens

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    Dieser Gastbeitrag von Dr. Alexandra Hildebrandt wurde zuerst auf nachhaltigkeit-im-fussball.de veröffentlicht.

    Warum wir ständig üben müssen und „Turnmeister“ der Nachhaltigkeit brauchen.

    Was auf dem Spiel steht

    Nein, die Erde an sich steht nicht auf dem Spiel, da sie auch ohne Menschen fortbestehen würde. Vielmehr steht die „Gesamtheit der Umweltbedingungen und der natürlichen Systeme, von denen die menschliche Zivilisation abhängig ist“, auf dem Spiel. Schreibt Al Gore in seinem Buch „Die Zukunft. Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern“. Zukunftsgestaltung hängt für ihn entscheidend von unserem Denken ab – zum Beispiel wie wir über die Entscheidungen nachdenken, die vor uns liegen. Aber auch unser gegenwärtiges Handeln ist ein wichtiger Einflussfaktor – wenn das Wissen aus der Vergangenheit berücksichtigt wird.

    Der Ruf nach Gestaltung statt Verwaltung, nach neuen Umformungsprozessen in der Gesellschaft wird immer lauter. Auch wenn die Verbindung zur Askese in diesem Zusammenhang seltsam anmutet: Es macht Sinn, sich auf ihre ursprüngliche Bedeutung einer freiwillig unternommenen Übung zu besinnen, die einem ständigen Neuformungsprozess dienen sollte. Im Mittelpunkt steht die „Selbstsorge“, die mit einem gesunden Maß an Selbstdisziplin verbunden ist. Hier zeigt sich eine Verbindung zum Sport, in dem sich der Mensch nicht nur in seiner Leiblichkeit erlebt, sondern auch als Teil der Gesellschaft. „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn hat die selbst gestaltete Beweglichkeit, die modernen „Leibesübungen“ in der Schule und als Vereinssport bis heute maßgeblich geprägt. Davon geht eine tiefe Symbolik aus, denn jeder kann heute zum „Turnmeister“ (Friedrich Nietzsche) seiner Existenz werden – solange er nur bereit ist zu üben.

    Auch Nachhaltigkeit ist ständiges Training fürs Leben, das mit dem Sport eng verbunden ist: In beiden Bereichen geht es um Gefühle, Leidenschaft und Mut, Kampf und Macht, Erfolg und Scheitern, Strategie, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit, Taktik und Zufall, aber auch um das Wechselspiel von individuellen Fähigkeiten und der Geschlossenheit im Team. Der Sport hat die Chance, Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen zusammenzuführen. Sie „üben“ mit Hilfe des Sports Begegnung und Verständigung unter Berücksichtigung einfacher Regeln, die von entscheidender Bedeutung für den gemeinsamen Erfolg sind, aber auch für die kollektive Kreativität. Denn sie entfaltet sich nur innerhalb fest gesteckter Grenzen. Wo sie fehlen, gibt es keine kreativen Höchstleistungen. Würden beispielsweise beim Fußball die Außenlinien des Spielfeldes wegfallen, könnten die Spieler plötzlich laufen, wohin sie wollten. Fußball wäre damit ein langweiliges Spiel.

    Doch es geht nicht nur um Regeln, sondern auch um einen Geist der Fairness und des Vertrauens, der Chancengleichheit, Toleranz und Menschenwürde.

    Warum auf Training nicht verzichtet werden kann

    Das „Training“ der Nachhaltigkeit ermöglicht uns, Hebel umzulegen und Steuerungsmechanismen in Gang zu setzen, um Zukunft zu gestalten. Dazu gehört auch die Entstehung von „Communitys“, die eigene Sinn- und Wertegemeinschaften bilden. In diesem Prozess ist Nachhaltigkeit „keine Modeerscheinung, die in ein paar Jahren wieder vorbei sein wird. Nachhaltigkeit wird sich eher wie der Umweltschutz entwickeln: Je mehr man sich damit befasst, desto mehr neue Aspekte tun sich auf. Nachhaltige Unternehmensführung wird heute auf breiter Front in Unternehmen eingeführt. Die Vorteile im Wettbewerb erschließen sich meistens erst bei der konkreten Befassung. Für den Sport bedeutet dies, dass auch er sich auf einen Paradigmenwechsel einzustellen hat, der letztlich bessere Förderungsmöglichkeiten erwarten lässt, und der zu einer besseren (Um-)Welt für uns heute und unsere Nachkommen führen wird.“ So die Überzeugung von Wolfgang Scheunemann, Geschäftsführer der dokeo GmbH und Initiator des Deutschen CSR-Forums.

    Nachhaltigkeit ist für ihn heute keine Option mehr, sondern ein Muss. Zu den wichtigsten Treibern für Nachhaltigkeit gehören für den CSR-Experten der Klimawandel und die Folgen, die Ressourcenverfügbarkeit und -preise, das Bevölkerungswachstum, die Globalisierung und Armut, die Süßwasserknappheit, das Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten, das Konsumentenbewusstsein, die Wirtschaftskrise und der Wertewandel. All das hat auch Auswirkungen auf Sportverbände. „Sie werden heute oft aus nicht strategischen Gründen von Unternehmen unterstützt. Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit verlangt aber, dass alle Maßnahmen entsprechend den Kriterien der Nachhaltigkeit eine strategische Grundlage haben. Es ist deshalb erforderlich, dass die Sportvereine mit Nachhaltigkeit argumentieren, wenn sie Firmen als Sponsoren gewinnen wollen. Das Schöne daran: Mit einer derartigen Begründung sind die Chancen viel besser als bisher, Sponsoren zu gewinnen und langfristig zu halten. Es bedeutet natürlich auch, dass sich der Sport mehr mit dem Phänomen Nachhaltigkeit zu befassen hat.“ (Wolfgang Scheunemann: Nachhaltigkeitsstrategien in der Wirtschaft. DOSB: Nachhaltigkeitsstrategien von Sportverbänden. Dokumentation des 19. Symposiums zur nachhaltigen Entwicklung des Sports vom 24. – 25. November 2011 in Bodenheim/Rhein, S. 9-13.)

    Es kommt noch hinzu, dass die Fans von Sportvereinen immer auch am Gesamterlebnis und an der Außendarstellung des Vereins beteiligt sind, was einen sehr verantwortungsvollen und sensiblen Umgang erfordert. Dazu gehört auch Empathie. Das Wort ist griechischen Ursprungs meint wörtlich das Hineinleiden oder Hineinfühlen in andere. Aus evolutionärer Sicht war der Einzelne auf die Gruppe angewiesen, und seine Überlebenschancen erhöhten sich, wenn es den anderen gutging. Vor diesem Hintergrund steht Empathie auch für verdeckten Eigennutz. Dennoch: Für eine nachhaltige Gesellschaft ist sie unabdingbar – deshalb muss auch unsere Empathie ständig „trainiert“ werden. „Der Kollaps der Erde“, erklärt der US-amerikanischer Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch „Die empathische Zivilisation“, mit dem er Wege zu einem globalen Bewusstsein aufzeigen möchte, „lässt sich nur verhindern, wenn eines rechtzeitig die ganze Menschheit erfasst: das universaliert empathische, das biosphärische Bewusstsein.“

    Auch Umweltachtsamkeit, ein Begriff, den die Psychologin Ellen Lagerprägte, spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Er ist verbunden mit ständigem Fragen und der Fähigkeit zuzuhören, aber auch mit Nachdenken und Reflexion der Sichtweisen anderer Menschen. Ein solches aktives Engagement führt zu klügeren Fragen und einer sensibleren Antenne für das, was vor uns liegt. Zu den großen Kernfragen, die sich daraus ableiten, gehören: Welche Zukunftskonzepte sollten Sportorganisationen haben? Wie beeinflussen sie Entscheidungen der Gegenwart und das Gesamtbild der Zukunft? Inwiefern sind sie von der allgemeinen Vertrauenskrise betroffen?

    Das Verlangen

    Der Sport ist inzwischen auch wirtschaftlich zu einem bedeutenden Faktor geworden. Viele Vereine werden heute wie mittelständische Unternehmen geführt und hochprofessionell vermarktet. Es ist kein Zufall, dass Wirtschafts- und Finanznachrichten den Sportnachrichten verblüffend ähnlich sind. Das betrifft auch die Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten. Zum Beispiel: Gier. Der Begriff stammt vom mittelhochdeutschen Verb gitsen ab, das sich zunächst mit „heftig verlangen“ und „übertrieben sparsam sein“ übersetzen lässt. Auch das lateinische avaritia beinhaltet beide Bedeutungen sowie „unmäßige Begierde“ (Maßlosigkeit). Der tschechische Ökonom Tomas Sedlaek, Autor des Buches „Die Ökonomie von Gut und Böse“ (2009), sagte vor einigen Jahren, dass Gier ein Januskopf ist und „Motor des Fortschritts, aber auch Ursache unseres Absturzes.“ Nicht Vertrauen, sondern Gier ist der Anfang von allem. „Gier ist gut. Gier ist richtig. Gier funktioniert. Gier ist das Wesen der Evolution“, ließ Regisseur Oliver Stone seinen Börsenspekulanten Gordon Gekko (Darsteller Michael Douglas) stellvertretend für die Zocker im Film „Wall Street“ 1987 sagen.

    Im Sport, besonders im Fußball, hat die Gier durch Jürgen Klopp eine positive Konnotation erhalten. So empfahl der Sportpsychologe Andreas Marlovits 2012 (Berliner Zeitung 24.8.2012) mehr „Mut zur Gier“, auch wenn der Begriff im Kanon der Todsünden erscheint und „ein bisschen unkultiviert“ anmutet. Die „Einführung“ der Gier auf dem Platz gehört zum Erfolgsrezept von Jürgen Klopp: „Wenn man feststellt, wie viel Erfolg es bringt, wenn man gierig an etwas herangeht, dann fände ich es einigermaßen logisch, wenn man das beibehalten würde“, sagt der Trainer, der zugleich für Zukunftskompetenzen wie Neu-Gier, Aufmerksamkeit, Kreativität und „Echte Liebe“ steht.

    Gemeinsame Regeln

    Trotz vieler positiven Entwicklungen hat die Glaubwürdigkeitskrise hat auch den international organisierten Sport erfasst, denn Ausrichterstaaten von großen Sportereignissen stehen häufig gemeinsam mit internationalen Sportverbänden immer öfter mit negativen Schlagzeilen im Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Intransparenz und Naturvernichtung sind nur einige damit verbundene Themen. Eine solche Entwicklung führt dazu, dass der Sport, um den es „eigentlich“ geht, immer mehr in den Hintergrund tritt. Um ihn wieder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, bedarf es einer Vielzahl grundlegender Maßnahmen.

    Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist der zentrale gesellschaftliche und politische Akteur im organisierten deutschen Sport. Seine hervorragenden Kontakte in Vereine und Verbände, aber auch zu Politik und Wirtschaft, machen ihn zum Motor einer zukunftsorientierten Sportentwicklung, die wichtige Gesellschaftsbereiche wie Schul-, Jugend-, Gesundheits-, Bildungs- und Sozialpolitik vernetzt.

    Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, wies im Rahmen des Deutschen CSR-Forums, an dem im Mai 2014 über 700 Personen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik in Ludwigsburg teilnahmen, auf die gesellschaftliche Bedeutung des Sports hin: Dieser dient nicht nur der Gesundheit, sondern u. a. auch der Bewusstseinsbildung, der Rehabilitation von Kranken und dem Wohlbefinden. Zur Bewusstseinsbildung kann Sport auf zweierlei Weise beitragen: Durch die Art und Weise, wie der Sport selbst betrieben wird (z. B. in der Natur), aber auch durch Informationen, die der Sport transportiert und die in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle spielen (Vorbildrolle von Sportlern).

    „Kreative Kooperationen zwischen der Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen sind wichtig, um Nachhaltigkeitsprozesse voranzubringen. Der organisierte Sport unter dem Dach des DOSB steht als innovativer Partner gerne zur Verfügung“, sagte er auf dem von Wolfgang Scheunemann initiierten Kongress. Zu seinem Konzept gehört auch, übergreifende Themen wie Sport in ganzheitliche Veranstaltungen zu integrieren und nicht zu separieren, denn Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und NGOs gehören zusammen. So haben sich Vertreter mehrerer großer und mittelständischer Unternehmen sowie von Nichtregierungsorganisationen sich gemeinsame auf Regeln verständigt und ihre Bereitschaft bekräftigt, „bei aufkommenden Fragen bzw. Problemen den konstruktiven Dialog zu suchen und auf gesellschaftlich kompatible Lösungsmöglichkeiten hinzuarbeiten.“

    Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem Alain Caparros (REWE Group), Jürgen Resch (Deutsche Umwelthilfe) und Jermyn Brooks (Transparency International) und Dr. Michael Vesper und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). „Angesichts der vielfältigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen bedarf es neuer Kooperationen zwischen Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Umwelt- und Sportverbänden sowie Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen zur Integration geeigneter Nachhaltigkeitsstrategien und CSR-Aktivitäten“, betonte Wolfgang Scheunemann. Denn gesellschaftliche und ökologische Veränderungen machen auch vor dem Sport nicht halt.

    Das Deutsche CSR-Forum ist ein wichtiger Multiplikator dieser Entwicklungen – für die Großen und Kleinen. Michael Vogt, Mitbegründer und Geschäftsführer stilrad°° besuchte die Veranstaltung gemeinsam mit dem internationalen Missionswerk missio: „Wir waren also Mitaussteller. Es gibt wenige Foren in diesem Bereich, deshalb waren wir in Ludwigsburg. Es ist nach unserer Recherche das Forum mit den hochwertigsten Besuchern. Ein Forum ist in jedem Fall notwendig, sogar dringend notwendig. Aber es muss auch Praxisbezug haben. Nur dann kann die Wirtschaft sich ein Beispiel nehmen und selbst aktiv werden. Auch muss es für alle Unternehmensgrößen brauchbar sein.“ Bewegung und CSR lassen sich für ihn gut vereinen: „Schließlich ist es ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft, dass sich Mitarbeiter in Unternehmen wie oft auch privat zu wenig bewegen. So gesehen ist ein Programm für mehr Bewegung nicht nur fast kostenlos, es ist auch die simpelste Methode für mehr Nachhaltigkeit in Sachen persönliche Gesundheit“, so der Geschäftsführer.

    Nachhaltigkeit – die neue Fitness

    Nicht die „Stärkeren“ überleben, sondern jene, die sich am besten anpassen können (to fit). Das ist ein permanenter Vorgang, denn je besser sich Sportorganisationen den Anforderungen eines professionellen Nachhaltigkeitsmanagements anpassen, desto erfolgreicher und stabiler sind sie. Günther Netzer soll einmal über eine Mannschaft gesagt haben: „Ihre Laufbereitschaft kommt nicht zum Tragen, weil sie nicht wissen, wohin.“ Ähnliches gilt auch bei der Nachhaltigkeit von Sportorganisationen. Die Bereitschaft von Einzelpersonen oder Abteilungen ist oft durchaus vorhanden, doch sie muss nur noch in die entsprechende Richtung gelenkt werden. Häufig werden Maßnahmen nicht in eine übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie integriert.

    Viele Sportorganisationen engagieren sich gesellschaftlich, doch nur wenige messen die Wirkung ihres Engagements. Es sollte deshalb das Ziel von ihnen sein, aus der Vielzahl der nicht-finanziellen Einzelkennzahlen relevante Steuerungsgrößen zu bilden, aus denen sie für verbandsinterne Zwecke – aber auch nachvollziehbar für die Öffentlichkeit – ableiten können, ob sich ihre Nachhaltigkeitsleistungen verbessert oder verschlechtert haben. „Häufig sind die Aktivitäten noch nicht strategisch ausgerichtet oder werden nur schwach gesteuert. Das ist erstaunlich, weil gesellschaftliches Engagement gerade in Sportorganisationen als überdurchschnittlich wichtig erachtet wird“, sagt Wolfgang Scheunemann. Und betont: Wer auf den systematischen Aufbau und das konsequente Nachhaltigkeitsmanagement verzichtet, verzichtet auch auf sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Das gilt für Sportorganisationen genauso wie für Unternehmen. Deshalb ist es wichtig, vor allem das langfristige Denken immer wieder zu „trainieren“. Wer darin gut ist, hat auch den notwendigen langen Atem für den Aufbau eines erfolgreichen Nachhaltigkeitsmanagements und verstanden, dass Nachhaltigkeit ein „Teamsport“ ist. Das Beispiel von Wolfgang Scheunemann gibt Hoffnung und bestätigt die Erkenntnis der Kulturanthropologin Margaret Mead: „Zweifeln Sie niemals daran, dass eine kleine Gruppe ernsthafter, engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich sind sie die Einzigen, die dies vermögen.“ Der Versuch, Menschen für Veränderungen innerhalb von Organisationen zu begeistern, fängt immer klein an.

    Nachhaltigkeit

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